Die unselbstständige Anschlussbeschwerde in Abschiebungshaftsachen

Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde fehlt, wenn mit der Anschließung lediglich das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll.

Die Rechtsbeschwerde in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen ist nur dann ohne Zulassung statthaft, wenn die Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet wird. Der Gesetzgeber wollte die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse eröffnen, die unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung haben1.

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung des Rechtsbeschwerdeführers als Vertrauensperson abgelehnt wurde, stellt keine die Fortbewegungsfreiheit des Betroffenen einschränkende Entscheidung dar. Es handelt sich um eine Zwischenentscheidung in dem Beschwerdeverfahren gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts. Ein Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung als Vertrauensperson nach § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG abgelehnt wird, kann gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG nur mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof findet daher nur statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde in dem angegriffenen Beschluss zugelassen hat, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO2. Beides ist hier nicht der Fall.

Für den Bundesgerichtshof besteht keine Veranlassung, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde über den Wortlaut des § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG hinaus gegen Zwischenentscheidungen des Beschwerdegerichts in Freiheitsentziehungssachen zu ermöglichen.

Eine solche Rechtsschutzmöglichkeit ist vorliegend nicht deshalb zu eröffnen, weil das Beschwerdegericht über die Hinzuziehung als Vertrauensperson ohne ausdrücklichen Antrag entschieden hat. Die Verfahrensbeteiligung setzt grundsätzlich keinen ausdrücklichen Antrag der Vertrauensperson nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG voraus. Ebenso ist kein formeller Hinzuziehungsakt seitens des Gerichts vorgeschrieben. Die Beteiligung kann vielmehr formlos – etwa durch die Übersendung von Schriftsätzen oder Ladungen zum Termin – erfolgen3. Lediglich im Fall der Zurückweisung der Verfahrensbeteiligung sieht das Gesetz eine förmliche Entscheidung durch Beschluss vor (§ 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG). Vorliegend hat der Rechtsbeschwerdeführer mit seiner Anzeige als Vertrauensperson und die gegen die Haft erhobenen Rechtsmittel hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er an dem Verfahren beteiligt werden möchte. Das Beschwerdegericht war daher auch ohne ausdrücklichen Antrag gehalten, seine ablehnende Entscheidung durch einen förmlichen Beschluss kundzutun.

Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht unter Berücksichtigung des grundgesetzlich gewährleisteten Justizgewährungsanspruchs (Art.19 Abs. 4, Art.20 Abs. 3 GG) als statthaft anzusehen, weil das Landgericht mit seiner Ablehnung der Hinzuziehung als Vertrauensperson zugleich zum Ausdruck gebracht hat, über deren Anschlussbeschwerde nicht entscheiden zu wollen. Die Anschlussbeschwerde war mangels Rechtsschutzbedürfnis ohnehin unzulässig. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde ist nach allgemeiner Ansicht nicht gegeben, wenn mit der Anschließung (lediglich) das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll4. Ein Beteiligter, der das Begehren des Beschwerdeführers unterstützen möchte, kann auch ohne Anschließung in der durch das Hauptrechtsmittel eröffneten Beschwerdeinstanz seine Beanstandungen zu der angefochtenen Entscheidung zur Sprache bringen und auch sonst zur Sach- und Rechtslage umfassend vortragen. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbständigen Anschlussbeschwerde kann bei einem Gleichlauf mit dem Rechtsschutzziel des Hauptrechtsmittels auch nicht damit begründet werden, dass der Beteiligte die Möglichkeit erhalten soll, die im zweiten Rechtszug ergehende Entscheidung selbst mit einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof anfechten zu können. Die unselbständige Anschließung dient allein der sachgerechten Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens. Sie hat nicht den Zweck, eine Fortsetzung des Verfahrens in der dritten Instanz zu ermöglichen5.

Die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde muss auch nicht deshalb eröffnet werden, weil sich das Amtsgericht vor dem Hintergrund des die Hinzuziehung als Vertrauensperson ablehnenden Beschlusses des Landgerichts geweigert hat, seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Haftaufhebung zu bescheiden. Einer Entscheidung über den Feststellungsantrag im Haftaufhebungsverfahren steht schon die materielle Rechtskraft der mit weiterem Beschluss vom 26.03.2020 ergangenen Entscheidung des Landgerichts entgegen, mit der die Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückgewiesen worden ist. Hat sich der Haftaufhebungsantrag durch die Entlassung des Betroffenen erledigt und begehrt der Betroffene – wie auch hier – in der Folge die Feststellung, durch die Haft in seinen Rechten verletzt zu sein, kann über den Gegenstand dieses Antrags – anders als bei der Aufhebung einer noch andauernden Haft – nur einmal abschließend entschieden werden6. Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Anordnung der Haft beinhaltet, dass die Freiheitsentziehung rechtmäßig war. Für eine erneute Entscheidung über diesen Gegenstand ist kein Raum.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. April 2023 – XIII ZB 11/21

  1. vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/12717, S. 60; BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – XII ZB 540/13, NJW-RR 2014, 897 Rn. 8
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 05.01.2011 – XII ZB 152/10, FamRZ 2011, 368 Rn. 2
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 595/13, FGPrax 2014, 160 Rn. 11 mwN
  4. BGH, Beschlüsse vom 12.02.2014 – XII ZB 706/12, FamRZ 2014, 827 Rn. 8 mwN; vom 03.02.2016 – XII ZB 629/13, FamRZ 2016, 794 Rn. 26; vom 08.08.2018 – XII ZB 25/18, FamRZ 2018, 1741, Rn. 11
  5. BGH, FamRZ 2014, 827 Rn. 9 mwN
  6. vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.04.2021 – XIII ZB 93/20 21; vom 22.03.2022 – XIII ZB 6/21 9