Familienflüchtlingsschutz nur bei nationaler Flüchtlingsanerkennung des Stammberechtigten
Enge Familienangehörige (Ehegatten, Kinder, Eltern) von Personen, denen ein anderer Staat als die Bundesrepublik Deutschland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, haben keinen hiervon abgeleiteten Anspruch auf die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz nach dem Asylgesetz. Ein Familienflüchtlingsschutz ist daher nur bei einer nationalen Flüchtlingsanerkennung des Stammberechtigten möglich.
In dem aktuell vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entschiedenen Fall hatte eine in Köln wohnhafte Mutter und ihre zwei minderjährigen Kinder geklagt. Der Ehemann bzw. Vater, ein syrischer Staatsangehöriger, verließ Syrien im Oktober 2013, reiste über die Türkei nach Bulgarien und wurde dort als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Er reiste anschließend mit einem Reiseausweis für Flüchtlinge weiter nach Deutschland und stellte hier einen weiteren Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an. Hierzu kam es jedoch nicht, weil das Verwaltungsgericht Köln das BAMF verpflichtete, ein Abschiebungsverbot für Bulgarien wegen dort drohender menschenrechtswidriger Behandlung festzustellen. Auf einen Asylfolgeantrag hin erkannte ihm das BAMF den subsidiären Schutzstatus zu, lehnte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiterhin ab. Die Stadt Köln erteilte ihm aufgrund des festgestellten Abschiebungshindernisses eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die jeweils befristet verlängert wurde, und zuletzt aufgrund der bulgarischen Flüchtlingsanerkennung auch einen Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Seine Ehefrau und seine Tochter verließen Syrien im Juli 2015, reisten über den Libanon, die Türkei, Griechenland und Italien nach Deutschland und stellten hier einen Asylantrag. Der Sohn wurde 2017 in Köln geboren. Das BAMF erkannte den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu, lehnte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab.
Das Verwaltungsgericht Köln verpflichtete das BAMF, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft wegen der bulgarischen Flüchtlingsanerkennung des Ehemannes bzw. Vaters zuzuerkennen1. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat nun das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln geändert und die Klage abgewiesen:
Den Klägern droht in Syrien keine Verfolgung in eigener Person. Sie können auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von ihrem Ehemann bzw. Vater herleiten. Die maßgebliche Vorschrift aus dem Asylgesetz bezieht nur die Familienangehörigen solcher Ausländer in deren Flüchtlingsschutz ein, denen die Bundesrepublik Deutschland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat.
Dies ergibt sich für das Oberverwaltungsgericht unter anderem aus der Systematik der Vorschrift, aus Regelungen des Aufenthaltsgesetzes und daraus, dass es sich bei der Vorschrift um eine nationale Sonderregelung handelt. Grundsätzlich sollen Personen, denen ein anderer Staat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, in diesen anderen Staat zurückkehren. Dieser Staat ist dann auch für den Familiennachzug verantwortlich. Geht ausnahmsweise einmal – wie hier – die Verantwortung für den Flüchtling auf die Bundesrepublik Deutschland über, richtet sich der Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz und erfordert nicht die Zuerkennung des Familienflüchtlingsschutzes nach dem Asylgesetz an die Familienangehörigen.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein -Westfalen, Urteil vom 10. September 2024 – 14 A 3506/19.A
- VG Köln – 11 K 5469/16.A↩





