Keine bürgerkriegsbedingte Lebensgefahr in Syrien
Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster besteht für Zivilpersonen in Syrien keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Bürgerkrieg) mehr.
Dieser Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde lag der Fall eines syrischen Staatsangehörigen aus der Provinz Hasaka im Nordosten Syriens. Dieser reiste im Jahr 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes als Bürgerkriegsflüchtling ab, weil er sich vor seiner Einreise ins Bundesgebiet an der Einschleusung von Personen aus der Türkei nach Europa beteiligt hatte. In Österreich war er deshalb bereits zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Das erstinstanzlich mit dem Fall befasste Verwaltungsgericht Münster verpflichtete das BAMF, dem Flüchtling die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen1. Auf die Berufung des BAMF änderte das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil und wies die Klage ab:
Der Flüchtling erfülle, so das OVG, bereits nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil ihm in Syrien keine politische Verfolgung droht.
Außerdem ist er von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen seiner vor der Einreise ins Bundesgebiet begangenen Straftaten ausgeschlossen, die als gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern zu bewerten sind.
Hinsichtlich des vom Flüchtling hilfsweise begehrten subsidiären Schutzes sieht das Oberverwaltungsgericht bereits die Voraussetzungen für dessen Zuerkennung, nämlich die ernsthafte, individuelle Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit von Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts, in der Provinz Hasaka, aber auch allgemein in Syrien, als nicht mehr gegeben an. Zwar finden zum Beispiel in der Provinz Hasaka noch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und verbündeten Milizen einerseits und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) andererseits statt. Auch verübt der Islamische Staat dort gelegentlich Anschläge auf Einrichtungen der kurdischen Selbstverwaltung. Die bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge erreichen jedoch kein solches Niveau (mehr), dass Zivilpersonen beachtlich wahrscheinlich damit rechnen müssen, im Rahmen dieser Auseinandersetzungen und Anschläge getötet oder verletzt zu werden.
Außerdem sei der Flüchtling wegen der von ihm begangenen Straftaten auch von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen.
Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein -Westfalen, Urteil vom 16. Juli 2024 – 14 A 2847/19.A
- VG Münster – 2 K 2750/18.A↩