Subsidiäre Schutzberechtigung – und keine Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige?
Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten kann eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise aus familiären Gründen grundsätzlich nicht erteilt werden.
§ 36a AufenthG regelt den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich abschließend und sperrt einen Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG, wenn sich die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise allein auf bereits vor der Einreise bestehende familiäre Bindungen zu dem subsidiär Schutzberechtigten stützt.
In dem aktuell vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall reisten eine Frau mit ihren drei Kindern, denen in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, im März 2019 in das Bundesgebiet ein. Nach bestandskräftiger Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig beantragten sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Hinweis darauf, dass sie die Zweitfrau und die drei Kinder eines in Deutschland als subsidiär schutzberechtigt anerkannten syrischen Staatsangehörigen seien, der im Bundesgebiet mit seiner ersten Ehefrau und weiteren sechs Kindern zusammenlebt. Eine auch nur vorübergehende Trennung der Kinder von ihrem Vater sei unzumutbar. Der beklagte Landkreis lehnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit der Begründung ab, dass ihnen die Ausreise nicht rechtlich unmöglich sei. Eine gemeinsame Lebensführung der von dem subsidiär Schutzberechtigten getrenntlebenden Zweitfrau und ihrer Kinder in Form einer Beistands- bzw. Erziehungsgemeinschaft sei nicht ersichtlich.
Klage und Berufung hatten vor dem Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße1 und dem Oberverwaltungsgericht Koblenz2 keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat die Zurückweisung der Berufung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Gesetzgeber für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten mit § 36a AufenthG eine abschließende spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage geschaffen habe, neben der für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich kein Raum verbleibe. Das Bundesverwaltungsgericht sah dies ebenso und hat nun auch die Revision der Zweitfrau und ihrer Kinder als unbegründet zurückgewiesen:
§ 36a AufenthG steht der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 5 AufenthG, nach dem eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen wegen unverschuldeter rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise erteilt werden kann, grundsätzlich entgegen.
§ 36a AufenthG setzt das Vorliegen humanitärer Gründe, die u.a. in dem Schutz von Ehe und Familie wurzeln, tatbestandlich voraus. Unberührt bleibt daneben nach § 36 Abs. 1 Satz 4 AufenthG lediglich die Erteilung von humanitären Aufenthaltstiteln nach den §§ 22, 23 AufenthG.
Zudem sieht § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG eine Kontingentierung auf monatlich 1 000 Visa vor. Daraus wird das Ziel des Gesetzgebers deutlich, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft vorzubeugen und die Zusammenführung von Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter – jenseits des Familienasyls – aufenthaltsrechtlich über das in § 36a AufenthG geregelte Kontingent-Verfahren zu steuern.
Die daraus resultierende Sperrwirkung des § 36a AufenthG eröffnet daher Raum für die Anwendung von § 25 Abs. 5 AufenthG nur im Falle nachträglich im Bundesgebiet eintretender Ereignisse, die im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Koblenz nicht gegeben waren.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. September 2024 – 1 C 11.23