Ausweisungsbezogenes Einreise- und Aufenthaltsverbot – und die asylrechtliche Rückkehrentscheidung
Ein an eine Ausweisung anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausländerbehörde kann auch dann mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen, wenn lediglich eine in einem Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorliegt.
In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall reist ein türkischer Staatsangehöriger im Jahr 1975 kurz nach seiner Geburt mit seinen Eltern nach Deutschland ein und besaß zuletzt eine Niederlassungserlaubnis. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und zudem Vater von vier Kindern, die deutsche Staatsangehörige sind und aus anderen Beziehungen stammen. Zwischen 1996 und 2016 wurde er wiederholt strafrechtlich verurteilt. Am 1. Juli 2016 verurteilte das Landgericht Bremen den Kläger wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten. Die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe wurde im November 2019 zur Bewährung ausgesetzt. Im Juni 2018 wies ihn der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und verband dies mit einem dreijährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot. Eine mit Ergänzungsbescheid vom Mai 2019 verfügte Abschiebungsandrohung wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Bremen im August 2020 von Hansestadt Bremen aufgehoben. Im Oktober 2019 stellte der Kläger einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar 2020 – hinsichtlich der Zuerkennung der Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet – ablehnte. Nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die vom Bundesamt verfügte Abschiebungsandrohung drohte das Bundesamt im Oktober 2020 erneut die Abschiebung in die Türkei an und setzte ein auf 36 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot fest. Ein hiergegen gestellter Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde im Januar 2021 abgelehnt.
Die Klage gegen die Ausweisung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde vom Verwaltungsgericht Bremen (VG Bremen, Urteil vom 31.08.2020 – 4 K 1680/18)) abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung vom Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen zurückgewiesen1. Das Oberverwaltungsgericht hat den Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen als für die angefochtene Verfügung sachlich zuständig und die Ausweisung nebst Einreise- und Aufenthaltsverbot als materiell rechtmäßig angesehen. Das persönliche Verhalten des Ausgewiesenen stelle gegenwärtig eine so schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, dass das öffentliche Aufenthaltsbeendigungsinteresse dessen Interesse an einem weiteren Verbleib in Deutschland überwiege. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG bestehe, sei wegen des Asylantrages im Ausweisungsverfahren nicht zu prüfen, mit dem er materiell Gründe für Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz geltend mache; hierfür sei allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Asylverfahrens zuständig. Die Befristungsentscheidung sei rechtsfehlerfrei. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun auch die Revision des ausgewiesenen Türken zurückgewiesen:
Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung bekräftigt das Bundesverwaltungsgericht seine jüngere Rechtsprechung, dass in die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen sind, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt in einem Asylverfahren vorbehalten sind. Der Auszuweisende hat weder ein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt noch einen Anspruch auf Doppelprüfung.
Das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot erweist sich im Ergebnis ebenfalls als rechtmäßig. Aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt, dass auch ein allein an eine Ausweisung geknüpftes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen muss. Das Einhergehen setzt voraus, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt objektiv eine Rückkehrentscheidung vorliegt. Eine solche Rückkehrentscheidung kann auch eine im Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung sein.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Februar 2022 – 1 C 6.21
- OVG Bremen, Urteil vom 17.02.2021 – 2 LC 311/20↩