Abschiebehaft – und die verweigerte Akteneinsicht

Hat das Beschwerdegericht die beantragte Akteneinsicht nicht gewährt und die angekündigte Be-schwerdebegründung nicht abgewartet, ist seine Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ergangen.

Beantragt der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen Einsicht in die Gerichts- und Ausländerakte und kündigt er an, die Beschwerde anschlie-ßend zu begründen, darf das Beschwerdegericht die Beschwerde erst zurück-weisen, wenn es die Akteneinsicht gewährt und eine für die Begründung des Rechtsmittels angemessene Zeitspanne zugewartet hat (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2018 – V ZB 223/17, InfAuslR 2018, 413 Rn. 7 ff.; vom 20. Juli 2021 – XIII ZB 106/19, juris Rn. 7). Dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen, welches auch in Abschie-bungshaftsachen zu beachten ist, kann dabei durch eine geeignete Verfahrens-gestaltung Rechnung getragen werden (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2018, aaO Rn. 8).

Das hat das Beschwerdegericht im hier entschiedenen Fall verfahrensfehlerhaft unterlassen. Es hat die Beschwerde zurückgewiesen, ohne zuvor die beantragte Einsicht in die Gerichts- und Ausländerakte gewährt und eine für die Begründung des Rechtsmittels angemessene Zeitspanne abgewartet zu haben.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Betroffene geltend, er hätte nach gewährter Akteneinsicht eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren gerügt und eingewandt, dass das Amtsgericht wegen der fehlenden anwaltlichen Vertretung nur eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG hätte anordnen dürfen. Mit diesem Einwand hätte die Beschwerde Erfolg gehabt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Februar 2022 – XIII ZB 74/20